
Unterscheiden und herrschen
Ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart
Autor*in: Hark, Sabine; Villa, Paula-Irene
Reihe: X-Texte zu Kultur und Gesellschaft
Jahr: 2017
Sprache: Deutsch
Umfang: 176 S.
Verfügbar
3.0
- Inhalt:
- O-Ton: »Krudes wurde sagbar« – Sabine Hark und Paula-Irene Villa im Interview mit Peter Rehberg beim Freitag. O-Ton: »Die Debatte um Frauenrechte hat sich verschoben« – Paula-Irene Villa im Gespräch bei radio eins/rbb am 21.02.2018. O-Ton: »Sprechen organisiert eine soziale Ordnung« – Sabine Hark beim Deutschlandfunk im Gespräch über die aktuelle Sexismus-Debatte am 21.10.2017. O-Ton: »Gender Studies: Ausgrenzend, elitär, realitätsfern? – Sabine Hark im Gespräch mit Svenja Flaßpöhler beim Deutschlandfunk Kultur am 01.10.2017. ... mit Sabine Hark und Paula-Irene Villa1. Warum ein Buch zu diesem Thema?Anlass für dieses Buch ist die Silvesternacht 2015 in Köln. »Köln« steht für nachhaltige Verschiebungen im gesellschaftlichen Gefüge der Bundesrepublik. Seitdem sehen wir, wie hierzulande und überall in Europa fremdenfeindliche, nationalistische Parteien und Bewegungen die Rhetorik der Gleichberechtigung der Geschlechter nutzen, um Migranten im Allgemeinen und Muslime im Besonderen als rückschrittlich, gewalttätig und also bedrohlich für ›uns‹ darzustellen. Gleichzeitig wurde nach »Köln« sexualisierte Gewalt zum politischen und juristischen Thema, wurden feministische Positionen dazu breit wahrnehmbar. »Köln« steht demnach für höchst ambivalente und irritierende Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart.2. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen gesellschaftlichen Debatten zu?Man kann es kaum überschätzen. Am Umgang mit geflüchteten Menschen, den ›Fremden‹, verhandelt die Gesellschaft in Deutschland immer auch sich selber. Dabei spielen Differenzen – etwa zwischen Geschlechtern, Religionen, Kulturen – eine zentrale Rolle. Unser Buch geht diesen Differenzen und ihrer diskursiven Konstruktion im politischen Raum nach.3. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?Wir versuchen, Differenzierungen zu denken und eine ethische Haltung zum Umgang mit Differenzen zu entwickeln. Statt von verdinglichenden Differenzen auszugehen, etwa in rassisierenden oder kulturalistischen Deutungen von Sexismus, plädiert dieses Buch für die Analyse von Herrschaft durch Differenz-Setzung. Das Buch plädiert für eine Neuorientierung feministischer Theorie und Praxis, indem die Geschlechterfrage in einen umfassenden Kontext politischen Denkens gestellt wird. Versämtlichende Abstraktionen und hegemoniale Vorannahmen simplifizierender Entweder-Oder-Diskurse werden als Form von Herrschaft analysiert.4. Welche besonderen Aspekte kann die wissenschaftliche Betrachtung in die öffentliche Diskussion einbringen?Die Analyse komplexer Wirklichkeiten erfordert ein Nachdenken, das die wechselseitige Bedingtheit verschiedener Differenzen in den Blick nimmt. Kritische Wissenschaft befragt die fortwährenden, gewaltvollen Versämtlichung der sozialen Welt und der derzeit besonders intensiven Konstruktion imaginärer Anderer. Sie untersucht vermeintliche Evidenzen und Plausibilitäten angeblich gegebener, nicht-verhandelbarer, identitätsbasierter Differenzen. Differenzen, ob sie nun geschlechtliche, sexuelle, kulturelle oder ethnische Unterschiede markieren sollen, werden nicht als an-sich gegeben oder gar unveränderbar angenommen.5. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?Alice Schwarzer, Seyran Ates, geflüchteten Menschen, Kommunalpolitiker_innen aller Couleur, queer-feministischen Aktivist_innen.6. Ihr Buch in einem Satz:Unsere gesamte Lebensweise ist in Kategorien der Unter- und Überordnung gefasst und diese feinen Unterschiede bestimmen Handeln, Einstellungen und Gefühle aller. Mit der Kölner »Nacht, die alles veränderte« ist einiges in Bewegung geraten. Vielleicht sind Bewegungen auch nur sichtbarer geworden. Feministische Anliegen finden zwar verstärkt Gehör, doch dies ist eng verwoben mit neuen Rassismen und der Kulturalisierung sozialer Ungleichheiten. Eine der hier auffälligsten Paradoxien ist die Mobilisierung von Gender, Sexualität und einer Vorstellung von Frauenemanzipation durch nationalistische und fremdenfeindliche Parteien sowie durch konservative Regierungen zur Rechtfertigung rassistischer bzw. islamfeindlicher Ausgrenzungspolitiken. Wollen wir dagegen verstehen, wie unsere gesamte Lebensweise in Kategorien der Über- und Unterordnung gefasst ist und wie diese feinen Unterschiede Handeln, Einstellungen und Gefühle aller bestimmen, dann gilt es, Sexismus, Rassismus und Heteronormativität nicht als voneinander unabhängige soziale Teilungsverhältnisse zu untersuchen. Die Analyse komplexer Wirklichkeiten erfordert ein Nachdenken, das die wechselseitige Bedingtheit verschiedener Differenzen in den Blick nimmt.
Sabine Hark (Dr. phil.), Soziolog*in, ist Professor*in für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin. Sie gilt als Mitbegründer*in der Queer Theory. Die Mitherausgeberin der Zeitschrift »Feministische Studien« publiziert u.a. in Zeit Online, Der Tagesspiegel und der taz. Paula-Irene Villa (Dr. rer. soc.) ist Professorin für Allgemeine Soziologie und Gender Studies an der LMU München. Ihre Schwerpunkte sind Biopolitik, Körper/Embodiment, Cultural Studies, Care, Populärkulturen, Sozialtheorie und Gender in der Politik.
Titelinformationen
Titel: Unterscheiden und herrschen
Reihe: X-Texte zu Kultur und Gesellschaft
Autor*in: Hark, Sabine; Villa, Paula-Irene
Verlag: transcript Verlag
ISBN: 9783732836536
Kategorie: Sachmedien & Ratgeber, Gesellschaft, Nachschlagewerke
Dateigröße: 641 KB
Format: ePub
Max. Ausleihdauer: 21 Tage
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